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Ein verschwundener Zeitzeuge des Alten Zug

Aktualisiert: 31. Mai



Walter F. Haettenschweiler – Das alte Schwerzmannhaus in Zug
Walter F. Haettenschweiler – Das alte Schwerzmannhaus in Zug

Eine einfache Zeichnung von 1978. Sie zeigt skizzenhaft ein Gebäude, offenbar ein historisches. Signiert ist die Zeichnung mit "Haettenschweiler", bezeichnet mit "Das Schwerzmann Haus". Der Künstlername dürfte aufmerksamen Windows-Office-NutzerInnen bekannt vorkommen: "Haettenschweiler" heisst eine der Standard-Office-Schriftarten. Entworfen hat sie der Grafiker, Schriftengestalter und Maler Walter F. Haettenschweiler (1933–2014), beheimatet in der Schweizer Stadt Zug. Grafik und Typografie blieben stets die grösste Leidenschaft von Walter F. Haettenschweiler. Dennoch zog es ihn immer wieder für kürzere oder längere Aufenthalte ins Ausland, um sich der bildenden Kunst zu widmen. In den 1950er- und 1960er-Jahren entstanden etwa in der Bretagne zahlreiche Zeichnungen und Gemälde, wo er gemeinsam mit seinem Zuger Künstlerkollegen Hans Potthof (1911–2003) verweilte. Diese Werke belegen sein ausgeprägtes zeichnerisches Talent. Dieses ist auch in der hier beschriebenen Zeichnung mit dem Schwerzmann-Haus erkennbar. Schnell, jedoch naturgetreu hat er sie ausgeführt – aufs Wesentliche reduziert.


Das Haus stand einst an prominenter Stelle direkt am Zuger Postplatz und hat diesen entsprechend geprägt. Gleich schräg gegenüber – auf der anderen Seite des alten Postgebäudes – hatte Walter F. Haettenschweiler jahrelang sein Atelier. Anstelle des alten Schwerzmann-Hauses steht heute das wuchtige graufarbene Wohn- und Geschäftshaus "Plaza" mit Marmorverkleidung und leicht konvex auswölbenden Hauptfassade. Es ist Ende 1992 nach Plänen des Zuger Architekturbüros Hafner+Wiederkehr+Partner fertiggestellt worden. Der Abriss des alten Schwerzmann-Hauses hatte im Vorfeld der Neubebauung für grosse Diskussionen gesorgt.


Architekturhistorische Bedeutung


Das Gebäude, einst Standort einer Färberei und auch als «Haus zur Farb» bekannt, erhielt seinen späteren Namen durch einen prominenten Bewohner: den Kantonsrichter und Gerichtspräsidenten Alois Schwerzmann (1857–1935). Zugegeben, das Haus präsentierte sich zuletzt nicht mehr besonders ansprechend. Daher überrascht es kaum, dass viele Einheimische dem «alten Kasten» keine Träne nachweinten und einer baulichen Erneuerung dieses Ortes offen gegenüberstanden. Gleichzeitig gab es jedoch auch zahlreiche Stimmen, die sich vehement für den Erhalt des Schwerzmann-Hauses einsetzten – ein Engagement, das nachvollziehbar ist, wenn man die geschichtliche und architekturhistorische Bedeutung des Gebäudes für die Stadt bedenkt. Bedauerlich war allerdings, dass diese Geschichte am Bau zuletzt kaum noch erkennbar war: Seine eigentliche Schönheit lag hinter einem schlichten grauen Verputz verborgen und entging so der breiten Wahrnehmung.


Bei dem vermutlich um 1645 errichteten Gebäude handelte es sich, wie Zeitzeugen berichten, um ein eindrucksvolles Fachwerkhaus mit hochwertiger Ausstattung. Der letzte Eigentümer, Emil Schwerzmann, verkaufte es 1986 an die damalige Liegenschaftsverwalterin Rankhof AG. Als nach einem weiteren Eigentümerwechsel sowohl das Grundstück als auch das benachbarte Areal betroffen waren und ein Abbruch des Schwerzmann-Hauses in Aussicht stand, entfachte sich ein regelrechter Interessenkonflikt.


Ein ganzes Fachwerkhaus verschieben?


Der Grosse Gemeinderat sprach sich entschieden gegen den Erhalt des Gebäudes aus. Die «Überlebenschancen» des Schwerzmann-Hauses an seinem Standort am Postplatz lagen somit faktisch bei null – obwohl sich einzelne Gemeinderäte vehement gegen den Abbruch engagierten und sogar mit einer symbolischen Besetzung des Hauses auf ihr Anliegen aufmerksam machten. Die beiden Gemeinderäte Peter Kamm (FDP) und Franz Hotz (CVP) erwogen sogar einen systematischen Abbau, die Verlegung sowie den Wiederaufbau des Hauses auf einem Grundstück bei der Schutzengelkapelle an der Chamerstrasse. Dieser kühne «Gewaltakt», dessen Planung auf privater Initiative beruhen sollte, stiess bei den Behörden durchaus auf Interesse und Zustimmung. Das Vorhaben sah vor, das Schwerzmann-Haus auf ein freies Grundstück an der Einmündung der Allmend- in die Chamerstrasse zu versetzen – direkt gegenüber der Schutzengelkapelle. Der Vorstand der Nachbarschaft Lorzen zeigte sich bereit, das Grundstück im Baurecht zur Verfügung zu stellen, jedoch lehnten die Mitglieder dies in einer entsprechenden Versammlung ab.


Damit war das Schicksal des Hauses endgültig besiegelt – weitere, teils beinahe verzweifelte Versuche, das Gebäude zu retten, blieben ohne Erfolg. Auch der Vorschlag der Stadt, das Haus auf ein Grundstück beim heutigen Podium 41 an der Chamerstrasse zu versetzen, scheiterte letztlich klar in der Volksabstimmung. Die grosse Mehrheit der Zuger Bevölkerung zeigte kein Interesse am Erhalt des rund 350 Jahre alten Gebäudes am Postplatz.


Innerhalb eines Tages aus dem Ortsbild verschwunden


Am 22. Juni 1988 rückten die Bagger an – noch am selben Tag war das ortsbildprägende Zuger Fachwerkhaus Geschichte. Es folgte der bereits erwähnte Bebauungsplan, und im September 1990 wurde auch die angrenzende Liegenschaft Café Plaza abgerissen. Danach begannen die Bauarbeiten für das heutige Wohn- und Geschäftshaus Plaza. An das Schwerzmann-Haus erinnert nichts mehr – mit Ausnahme einer Weihnachtskrippe, die von 1914 bis 1977 alljährlich während des Advents im Haus aufgebaut stand und 1994 von der Erbengemeinschaft Schwerzmann dem Museum Burg Zug übergeben wurde.


Und schliesslich lebt auch in der vorliegenden Zeichnung von Walter F. Haettenschweiler ein bisschen Erinnerung an den alten Zuger Bauzeugen weiter. Insofern kommt dem Blatt vor allem aus lokalhistorischer Sicht eine grössere ideelle Bedeutung zu.


Quelle u.a. Artikel zum Abriss des Schwerzmann-Hauses, Andreas Faessler, Zuger Zeitung, 4. April 2025

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