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Caspar Wolf und die Rastenden am See

Aktualisiert: 31. Mai





Caspar Wolf, Felsiges Seeufer mit Rastenden, aquarellierte Federzeichnung
Caspar Wolf – Felsiges Seeufer mit Rastenden

Fragt man nach den Pionieren der Gebirgsmalerei, so wird Caspar Wolf (1735-1783) einer der Erstgenannten sein. Der aus dem Freiämter Klosterdorf Muri stammende Maler gilt als Wegbereiter der alpenländischen Landschaftsmalerei und somit als ein bedeutender Protagonist der europäischen Kunstgeschichte. Wolf ist insofern ein Phänomen, als er und somit sein Werk lange Zeit komplett vergessen waren. Denn so gut wie der gesamte künstlerische Nachlass Wolfs ist nach dessen Tod in privater Hand verblieben und hat nie den Weg auf den Kunstmarkt gefunden.


Doch kurz vor dem Zweiten Weltkrieg stiess der aus Muri stammende Kunsthistoriker Willi Raeber im Schloss Keukenhof in Südholland zufällig auf 96 Gemälde von Caspar Wolf. Raeber erkannte die herausragende Bedeutung dieses Nachlasses, kaufte die Werke an und brachte sie zurück in die Heimat ihres Schöpfers. In der Folge setzte eine sukzessive Wiederentdeckung und Wolf-Forschung ein. Seit über vierzig Jahren kümmern sich kunst- und kulturverbundene Kreise im Heimatort Caspar Wolfs aktiv um den Aufbau einer repräsentativen Sammlung, die heute von der Stiftung Murikultur betreut, weiterentwickelt und behutsam ausgebaut wird. 2019 hatte die Kollektion einen solchen Umfang erreicht, dass im neu gestalteten Singisenflügel des Klosters Muri ein eigenes Caspar Wolf Museum eingerichtet wurde – ein Ort, an dem dieses kulturell unschätzbare Erbe bewahrt und die Bedeutung des Malers einem breiten Publikum eindrücklich vor Augen geführt wird.


Die grosse Wertschätzung für Caspar Wolfs Werk schlägt sich seit Jahren auch im Kunstmarkt nieder. Seine Gemälde, Zeichnungen und auch grafischen Werke sind gesucht und erzielen regelmässig Resultate im Hochpreissegment.


Die Natur dominiert den Menschen


Caspar Wolf, Felsiges Seeufer mit Rastenden, aquarellierte Federzeichnung
Detail aus der Zeichnung

Das hier vorgestellte, mit der authentischen Signatur "Wolff" versehene Werk ist ein kleines, aber repräsentatives Beispiel für das Schaffen des Malers, denn es vereint in sich alles, was seine Bilder ausmachen: Es ist eine Naturdarstellung, in welcher der Mensch als kleiner Teil eines grösseren Ganzen erscheint. Dramatisch schattierte Felsen, Wasser und knorrige Bäume repräsentieren das Schöne und zugleich Rauhe in Gottes Schöpfung, der sich der Mensch unterzuordnen hat – ob er will oder nicht. Die bedrohlichen Formen der Felsbrocken dominieren über die Zivilisation, welche hier im Hintergrund zur schemenhaften Staffage verkommt. Es ist ein klassisches Motiv der frühen Romantik, das die Erhabenheit der Natur betont.


Caspar Wolf gelingt es hier meisterlich, mit reduzierten Mitteln eine tiefe Stimmung einzufangen: Wie in vielen seiner Werke typisch, verwendet er erdige Farbtöne, Sepia, zarte Blaunuancen und sparsam eingesetzte Weisshöhungen sind stimmungsbildend. Die punktuell erweiterte Farbpalette beschränkt sich weitgehend auf die Darstellungen der drei Figuren. Die asymmetrische Komposition legt einen Fokus auf die räumliche Wirkung und schaft eine atmosphärische Tiefe, nicht zuletzt, weil der (leere) Himmel sehr viel Platz einnimmt.


Seine Werke dienen der Klimaforschung


Caspar Wolfs unverkennbare künstlerische Handschrift ist über lange Zeit mit zahlreichen prägenden Lebensstationen gereift: Nach einer Lehre als Kirchen- und Landschaftsmaler begann für ihn eine Phase des Reisens und Lernens. Danach hielt er sich in Basel und Paris auf und kehrte 1771 schliesslich in seine Heimat Muri zurück. Dort hatte er sich mit wachsender Hingabe der detailgetreuen Darstellung der Landschaft gewidmet, insbesondere jener der Innerschweiz.


In dieser Zeit war der Berner Verleger Abraham Wagner auf das aussergewöhnliche Talent des jungen Künstlers aufmerksam geworden und hatte ihn für ein ehrgeiziges Vorhaben gewonnen: Wolf sollte die Bildvorlagen für ein umfassendes Werk über die Alpen liefern. Gemeinsam mit Wagner und dessen Gefolge war der Murianer Künstler in entlegene alpine Regionen aufgestiegen, die bis dahin kaum ein Maler seines Formats betreten hatte. Vor Ort hatte er eine Fülle von Skizzen angefertigt, die er später im Atelier in Ölgemälde umgesetzt hatte.


Viele dieser Werke hatten wiederum als Vorlage für druckgrafische Illustrationen gedient, mit denen Wagner seine aufwendig gestalteten Publikationen ausgestattet hatte. Die bedeutendste davon war 1777 unter dem Titel Merkwürdige Prospekte aus den Schweizer-Gebürgen und derselben Beschreibung erschienen. Zum ersten Mal lagen realitätsnahe Darstellungen der Schweizer Alpenregionen vor – ein Meilenstein, der auch den aufkommenden Tourismus beflügelt hatte. Aus heutiger Sicht sind diese Abbildungen nicht nur künstlerisch, sondern auch wissenschaftlich von unschätzbarem Wert, da sie etwa Klimaforschern authentische Hinweise auf den damaligen Gletscherstand liefern.


Quelle u.a. Artikel zur Eröffnung des Caspar Wolf Museums in Muri, Andreas Faessler, Luzerner Zeitung, 5. April 2019

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