Poledne und das verschwundene Schlösschen
- Andreas

- 3. Aug.
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Aktualisiert: 4. Aug.
Quelle: www.planet-vienna.vom

Franz Poledne (1873–1932) gilt als einer der führenden Wiener Aquarellisten seiner Zeit. Seine Ansichten der Stadt, von historischen Interieurs und auch Veduten anderer Orte gelten als wertvolle Zeitdokumente – selbst angesichts der Tatsache, dass zu Polednes Zeiten die Fotografie bereits vorherrschendes Medium war. Wo die hier gezeigte Ansicht mit dem barocken Herrenhaus zu verorten ist, war lange Zeit unbekannt. Im Kunsthandel wurde es lediglich als "Barockes Schlösschen" oder ähnlich bezeichnet. Das stimmige Motiv zeigt einen akkurat gepflegten Lustgarten mit symmetrischen Parterres und einem flanierenden, elegant gekleideten Paar. Dahinter erhebt sich die Fassade eines herrschaftlichen Palais, links flankiert von einem schmiedeeisernen Tor. Rechts schliesst sich ein Wirtschaftsgebäude an.
Dass dieses Aquarell lange Zeit nicht genauer bezeichnet werden konnte, liegt daran, dass das Gebäude seit fast 120 Jahren aus dem Wiener Stadtbild verschwunden ist. Es handelt sich um das einstige Gartenpalais Löschenkohl im Wiener Bezirk Margareten. Johann Christoph Freiherr von Löschenkohl (1718–1777) hatte es sich im 18. Jahrhundert im so genannten Nikolsdorfer Grund errichten lassen. Er pflegte es mit Hingabe und erweiterte es um zusätzliche repräsentative Zubauten.

Nach Löschenkohls Tod wechselte der Besitz mehrfach unter adligen Eigentümern, darunter um 1782 Franz Graf Esterházy von Galántha und um 1810 Franz Simon Graf von Pfaffenhofen. Im 19. Jahrhundert setzte ein allmählicher Niedergang des einst prächtigen Palais ein. In den letzten Jahrzehnten seiner Nutzung wurde das Haupthaus als Mietobjekt von Bürgern bewohnt, während im ehemaligen Wirtschaftstrakt unter anderem ein Lederverarbeitungsbetrieb einzog. Der Garten diente zuletzt als Lagerplatz für ein Holzhandels- und Tischlereigeschäft. Zeitungsberichten zufolge wurde das Hauptgebäude im 19. Jahrhundert zweimal von Bränden schwer beschädigt und jeweils nur notdürftig instand gesetzt.
Abriss und Vergessen
1882 wurde das Bezirksgericht Margareten gegründet und zunächst in gemieteten Büroräumen in der Wehrgasse 1 untergebracht. Da diese Räumlichkeiten bald nicht mehr ausreichten, beschloss die Justizverwaltung den Bau eines eigenen Amtshauses mit Arresttrakt. Dafür erwarb man einen großen Teil des ehemaligen Löschenkohl-Grundstücks am Mittersteig und liess das barocke Lustschlösschen im Jahr 1908 abreissen – vermutlich unter Leitung des Architekten Anton Schwarz. Am 8. Juli 1908 begannen die Bauarbeiten für die noch heute bestehende Justizanstalt Mittersteig, einen markanten Eckbau mit Anklängen an den Heimatstil.
Polednes Aquarell vermittelt eine gewisse Wehmut über den Verlust einer Epoche und ist eine späte Erinnerung an ein prachtvolles Vorstadtpalais, von denen einst viele im Wiener Umland existierten und die fast alle dasselbe Schicksal ereilte. Das Aquarell erweist sich folglich als ein besonders bedeutendes Zeitzeugnis, zumal von diesem einst repräsentativen Bauwerk nur mehr Fotografien und Abbildungen existieren, die es in einem bereits vernachlässigten Zustand lange nach seiner Blütezeit zeigen





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