Ferdinand Waldmüller, der Vergessene
- Andreas
- 18. Mai
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Aktualisiert: 31. Mai

Waldmüller. Kaum ein anderer Name wird so eng mit der österreichischen Biedermeiermalerei in Verbindung gebracht. Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865) hat es wie kein anderer seiner Zeit verstanden, Licht, Detail und Komposition zu einem meisterlichen Ganzen zu verbinden. Waldmüllers Porträts, Landschaftveduten und vor allem seine Genrebilder zeigen die damaligen Vorstellungen einer idealen Welt in grösster Würde und Schönheit. Seine erste Frau Katharina, geborene Weidner, war Hofopernsängerin. Als sie ein Engagement in Brünn erhielt, siedelte das Paar um in die mährische Stadt. Hier kam am 1. (gemäss anderen Quellen am 3.) September 1816 Ferdinand Franz Joseph zur Welt, einziger Sohn des Paares. Der Kleine fiel schon früh durch seine Begeisterung für die Musik auf – und legte dabei ein erstaunliches Talent zutage. Im Alter von 7 Jahren erhielt Ferdinand Waldmüller seinen ersten Klavierunterricht, den er mit 12 bei einem damals angesehenen Musiklehrer namens Ignaz Putler über mehrere Jahre fortführte. Er nahm nun zusätzlich Violinunterricht bei Mathias Strebinger, Orchestermitglied bei der k.k. Hofkapelle sowie Ballettdirektor am Kärntnertortheater.

Die musikalische Affinität wohl von seiner Mutter geerbt, interessierte sich der Waldmüller-Spross jedoch auch für die Kunst des Vaters und und erhielt von ihm Malunterricht. Das Handwerk schien dem Sohnemann gemäss historischer Berichterstattung vorzüglich zu gelingen: Waldmüller junior nahm wiederholt an Kunstausstellungen teil und erntete sehr wohlwollende Kritik seitens der Sachverständigen. Von 1830 bis 1834 studierte er an der Akademie der bildenden Künste. Im Alter von 18 Jahren trat Waldmüller in die Dienste von Karl Graf Esterhazy, dessen Kindern er in Sereth (heute Rumänien) ein halbes Jahr lang Zeichenunterricht erteilte. Danach kehrte er nach Wien zurück und konzentrierte sich vornehmlich aufs Klavierspiel.
Eine zu früh endende Karriere
Es folgten Studienreisen nach Deutschland mit dem Zweck, sein Talent in Malerei und Musik auszuarbeiten. Doch Waldmüllers Vorliebe für die Musik übertraf diejenige für Pinsel und Farbe. Seinen ursprünglichen Plan, Berufsmaler zu werden, verwarf er. Mit 24 Jahren liess Waldmüller sich in Mainz nieder, wo er zwei Jahre lang als Klavierlehrer angestellt war. Nach 1843 siedelte Waldmüller mit hervorragenden Referenzen und Empfehlungsschreiben angesehener Familien nach Paris um. Hier konzertierte er in rennommierten Sälen und erlauchten Privatzirkeln. Er bildete sich in Komposition weiter und kehrte 1845 nach Wien zurück, wo er dank des Rufes, der ihm vorausgeeilt war, sich ebenfalls grosses Ansehen als Klaviervirtuose und schliesslich auch als Komponist erarbeitete. 1852 wurde er Professor an der Akademie für Tonkunst.
Doch Waldmüller erlitt 1859 einen Schlaganfall und war von da an rechtsseitig gelähmt, was ihn für den Rest seines Lebens arbeitsunfähig machte. Seine um ein Jahr ältere Schwester Aloisia nahm sich der Pflege des unverheiratet gebliebenen Ferdinand an – bis zu dessen Tod am 11. März 1885. Ferdinand Waldmüller wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt. Nach ihrem Ableben exakt 9 Jahre später, am 11. März 1894, wurde Aloisia neben ihrem Bruder bestattet.
Ein feines Gespür fürs Detail
Dass Ferdinand Waldmüllers künstlerisches Erbe heute fast vollständig der Vergessenheit anheimgefallen ist, wird zu einem wesentlichen Teil auf sein verhältnismässig kurzes Wirken zurückzuführen sein, welches durch seine Krankheit jäh beendet worden ist. Was die Malerei angeht, so steht seine Hinterlassenschaft selbstredend ganz im Schatten seines berühmten Vaters. Doch die sehr selten anzutreffenden Zeugnisse seines Talents auf diesem Gebiet legen ein hohes handwerkliches Können zutage.
Ein anschauliches Beispiel dafür ist das oben gezeigte kleine Tafelbild. Es zeigt einen freundlich wirkenden älteren Mann, der mit einem Lächeln im Gesicht die Zeitung liest. Der mann stammt aufgrund seiner einfachen Bekleidung vermutlich aus der Unter- oder Mittelschicht. Waldmüller porträtiert den Mann mit einem liebevollen Blick und feinem Gespür fürs Detail – trotz eher breitem, schnellem Pinselstrich. Er fängt die Mimik des Mannes mit all seinen Attributen, die auf ein wechelvolles Leben schliessen lassen, gekonnt ein.
Die Hell-Dunkel-Abstufungen innerhalb des Bildes sowie die warmen Farbtöne verleihen dem reizvollen Porträt seinen Charakter. Der Betrachtende ist durch die Reaktion des Herrn auf den offenbar heiteren Zeitungsinhalt regelrecht zum Mitlächeln animiert. Ferdinand Waldmüller ist hiermit ein sehr lebensnahes und authentisches Porträt eines unbekannten lesenden Mannes gelungen, welches Stil und Gesinnung der biedermeierlichen Kunst eindrucksvoll wiedergibt.
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