Eine ausladende Halskrause umgibt das Haupt des jungen Herrn mit Schnurrbart, welcher den Betrachter fixiert und selbstbewusst anblickt. Das Weiss dieses Renaissance-Modestücks – anfang 17. Jahrhundert auch spöttisch "Mühlsteinkragen" genannt – sowie der helle Teint heben sich vollständig ab vo dunklen Hintergrund, der mit dem ebenso dunklen Umhang des Herrn eins wird. Es ist überliefert, das es sich bei diesem Porträt aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts um das Bildnis Johann Rudolf Wettsteins handelt, eine einflussreiche Basler Persönlichkeit, nach der die Wettstein-Brücke benannt ist. 1594 als Sohn eines Kellermeisters in Basel geboren, führte Wettstein ab 1611 gemeinsam mit seinem Vater eine Schreibstube. Bereits im Alter von 16 Jahren vermählte sich Wettstein mit der über fünf Jahre ältere Anna Maria Falkner. Die ganze Ehe war bis zum Tod seiner Frau 1647 sehr unglücklich, doch ebnete die Verbindung dem jungen Wettstein den Weg in die Basler Oberschicht. 1616 begab er sich in italienische Dienste. Als 1618 der Dreissigjährige Krieg begann, schlug Wettstein eine politische Laufbahn ein. Im Verlauf der 1620er-Jahre besetzte er in seiner Heimat mehrere einflussreiche Ämter. 1630 vertrat er Basel an der eidgenössischen Tagsatzung, 1645 wurde er Bürgermeister, 1646 nahm er als Gesandter der reformierten Orte am Westfälischen Friedenskongress teil. Im Jahr darauf vertrat er in selber Mission auch die katholischen Orte. Als Schweizer Gesandter in dieser Sache war Johann Rudolf Wettstein faktisch der erste Schweizer Diplomat im eigentlichen Sinne.
Um die durch den Westfälischen Frieden erhlangte rechtliche Unabhängigkeit abzusichern, reiste Wettstein 1650 als Vertreter sämtlicher Schweizer Stände gemeinsam mit Sebastian Peregrin Zwyer von Evebach nach Wien. Kaiser Ferdinand III. erhob Wettstein daraufhin in den Reichsadelsstand. Zurück in seiner Heimat, sah sich Wettstein mit inneren Unruhen und Problemen konfrontiert. Als sich die Baselbieter 1653 gegen die Stadt Basel erhoben, liess Wettstein sieben Anführer der Aufständischen öffentlichkeitswirksam exekutieren.
Wettsteins Bemühungen um den Dialog zwischen den Reformierten und den Katholiken führte er auch nach dem verlorenen ersten Villmergerkrieg von 1656 weiter, denn er war weiterhin ganz Diplomat und war sich bewusst, dass diese Kluft nicht mit Gewalt, sondern einzig mit einem Austausch zu überwinden ist. Obwohl Wettstein ein eifriger Verfechter seiner eigenen Konfession war, hatte für ihn der Friede im Lande und ein gütliches Miteinander von Reformierten und Katholiken Vorrang. Wettstein gelang es 1661, den umfangreichen Bilder- und Büchernachlass des Humanisten und Juristen Bonifacius Amerbach (1495-1562) anzukaufen. Der Fundus bildete den Grundstock der Bibliotheken und Museen Basels.
Johann Rudolf Wettstein starb im April 1666 im 72. Altersjahr und wurde in der Barfüsserkirche beigesetzt. Im Kreuzgang des Münsters ereinnert ein Epitaph an den einflussreichen, geadelten Basler Politiker und Diplomat, der auf dem oben gezeigten Ölgemälde – vorausgesetzt, er ist es – während den Anfängen seiner steilen Karriere von einem unbekannten Meister poträtiert worden ist.
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