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Der geflügelte Todesbote

  • Autorenbild: Andreas
    Andreas
  • vor 10 Stunden
  • 3 Min. Lesezeit
(Artikel aus der "Zuger Zeitung" vom 13. Dezember 2025 von Andreas Faessler)

Eine barocke Martyriumsszene des heiligen Andreas aus der Hand des Zuger Malers Johannes Brandenberg zeigt ein kleines, kaum erkennbares Detail mit Symbolgehalt. Dessen Interpretation lässt Spielraum offen.



Johannes Brandenberg –  Das Martyrium des hl. Andreas
Johannes Brandenberg – Das Martyrium des hl. Andreas

Mit Johannes Brandenberg (1661-1720) lässt sich einer der bedeutendsten Barockmaler der Zentralschweiz anführen. Nach der Ausbildung bei seinem Vater Thomas Brandenberg und einer Zeit der Wanderschaft erhielt der Zuger bald vom Kloster Einsiedeln mehrere Aufträge. Im Laufe seiner Karriere führte Johannes Brandenberg eine grosse Anzahl an kirchlichen und profanen Malereien aus. Einen seiner grössten Aufträge erhielt der Zuger anno 1691 aus Beromünster, wo im Zuge einer umfangreichen Barockisierung der romanischen Stiftskirche Deckenbilder nachgefragt waren. Brandenberg schuf diese allesamt im Verlaufe des Jahres 1692. Nach Beendigung bestellte das Chorherrenstift bei Brandenberg gleich noch die Blätter für die neuen Altäre – insgesamt 14 Gemälde, 2 pro Retabel. Als die Stiftskirche ab 1773 neu ausgestattet wurde, verschwanden Brandenbergs Deckengemälde, die Altarblätter jedoch übernahm man in die neuen Rokoko-Altäre. Im Zuge dessen wurden die hochrechteckigen Hauptgemälde für die heutigen Rahmen passend zurechtgeschnitten. Es handelt sich um folgende Motive: Das Martyrium des hl. Andreas, der hl. Jodok, die hl. Afra, der hl. Sebastian, die hll. Johannes der Evangelist und Johannes der Täufer, der hl. Johannes Nepomuk, der hl. Martin von Tours und die hl. Maria Magdalena.


Vielfiguriges Altarblatt


Im Rahmen dieses Beitrages betrachten wir Brandenbergs Andreas-Darstellung, weil sie ein kleines symbolisches Detail aufweist, welches wohl kaum jemand registrieren würde beim Betrachten. Das 1,7 mal 1,1 Meter grosse Gemälde am Andreasaltar – es ist derjenige übereck gestellte im vorderen linken Seitenschiff – zeigt das bekannte Motiv der Kreuzigung des Apostels. Es ist vom Maler signiert und mit 1693 datiert.

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Der Heilige ist ans bereits zur Hälfte aufgerichtete Schrägkreuz gebunden, ein Folterknecht zieht den letzten Strick fest. Eine Frau und ein Mann mit einem Kind am rechten Bildrand verfolgten kniend die Szene, sie stellen gläubige Christen dar. Hinter ihnen sind weitere Folterknechte zugange. Im Bildhintergrund ist eine Säulenarchitektur zu sehen. Dort ist am linken Rand eine sitzende Gestalt erkennbar, welche den Vorgang genau zu beobachten scheint. Es handelt sich um Egea, den Prokonsul von Patras, welcher das Todesurteil über Andreas verhängt hat. In der linken Bildhälfte hinter dem Märtyrer ist ein Priester abgebildet. Er zeigt mit dem Finger auf die Statue einer heidnischen Göttin und verweist mit der Geste auf den hier herrschenden Götzenkult. Ganz am oberen Bildrand erscheint ein Putto, welcher bereits den Lorbeerkranz als Symbol des Sieges bereithält.


Vom Glücksbringer zum Unheilsboten


Nun zum bereits erwähnten unauffälligen Detail innerhalb des vielfigurigen Gemäldes. Je nach Lichtverhältnissen im Kirchenraum ist es nur schwer oder gar nicht erkennbar: Am Sockel der Götzenfigur, etwa auf halber Höhe in der direkten «Verlängerung» von Andreas' rechtem Fuss ist ganz klein eine Fliege zu sehen. Der Kunsthistoriker und ehemalige Luzerner Denkmalpfleger Georg Carlen (*1946) merkt dazu in seiner Betrachtung von Brandenbergs Gemälden im Stift Beromünster (Zuger Neujahrsblatt 1973) an, dass es sich bei der Fliege «kaum um eine blosse Spielerei» des Künstlers handle.

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Vielmehr stellt Carlen in dem kleinen Insekt eine Symbolik fest. Sich auf die Studie «La mouche peinte» des Kunsthistorikers André Pigler beziehend, greift Carlen ins 15. Jahrhundert zurück, als das Motiv der Fliege in der niederländischen und italienischen Malerei erstmals vermehrt vorkommt, jedoch in einem apotropäischen Kontext. Heisst, die Fliege symbolisiert Schutz und Wohlergehen, fingiert demnach als Glücksbringerin. In niederländischen und flämischen Stillleben des 17. Jahrhunderts taucht die Fliege jedoch fast ausschliesslich negativ konnotiert auf, macht sich mit Artgenossen an den dargestellten Pflanzen und Früchten zu schaffen, bringt damit Verderben über sie. Die Deutung der Fliege hat sich zu derjenigen eines Unheilbringers, ja gar Todesboten gewandelt.


Wofür also steht nun die Fliege im Gemälde mit dem hl. Andreas? Dass sie am Sockel der Heidengöttin sitzt, legt auch hier eine Deutung als Symbol des Bösen nahe: Götzenanbeterei und Heidenglaube ohne die christliche Heilsbotschaft führen zu Verdammnis – die Fliege wird hier zum Vorboten des Untergangs für Menschen, die nicht an den wahren Gott glauben.

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