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Vom Maler, der das Trinkglas lieber hatte als den Pinsel

Aktualisiert: 14. Dez. 2023

(Artikel aus der "Zuger Zeitung" vom 11. Februar 2023 von Andreas Faessler)

Der Apostelzyklus von Thomas Brandenberg in der Pfarrkirche Oberägeri
Der Apostelzyklus von Thomas Brandenberg in der Pfarrkirche Oberägeri

Es war ein nicht ganz unbedeutender Moment für die hiesige Kulturgeschichte, als 1976 im Zuge der grossen Oberägerer Kirchenrenovation ein Gemäldezyklus aus dem 17. Jahrhundert zum Vorschein kam: Die Fachleute der beauftragten Stanser Renovationsfirma stellten unter den Apostel-Tafelbildern an der Emporenbrüstung eine viel ältere Malschicht fest. Es stellte sich heraus, dass die Holztafeln mindestens 300 Jahre alt waren und beim Neubau des Kirchenschiffes von 1906-1908 übermalt worden sind, möglicherweise vom Urner Kirchenmaler Josef Heimgartner. Es gelang den Restauratoren, die alten Gemälde – sie zeigen ebenfalls die Apostel – ohne nennenswerte Verluste freizulegen und ihnen volle farbliche Frische zurückzugeben.


Die Tafel mit dem heiligen Thaddäus ist mit TBB monogrammiert und mit 1661 datiert. Das Monogramm war eindeutig dem Zuger Maler Thomas Brandenberg (1620-1688) zuzuordnen, welcher laut Notizen des damaligen Oberägerer Kaplans Jakob Billeter im angegebenen Jahr an der künstlerischen Neuausstattung der Pfarrkirche beteiligt war.


Thomas Brandenberg war der Vater des bedeutenden Zuger Barockmalers Johannes Brandenberg (1660-1729). Der Senior war freilich weit weniger bekannt gewesen. Dessen Haupterwerb war zunächst das Schneiderhandwerk, erlernt beim gleichnamigen Vater. Das dürftig biografisch Überlieferte legt nahe, dass Thomas Brandenberg nach seiner Schneiderlehre auf Reisen ging, dabei länger in Deutschland weilte und sich schliesslich für die Malerei entschied.


Der Apostelzyklus von Thomas Brandenberg in der Pfarrkirche Oberägeri

Zurück in Zug gründete er eine Familie. Ob das Malen sein einziger Erwerb war, oder ob er nebenbei als Schneider ein Zusatzeinkommen erwirtschaftete, ist nicht bekannt. Ein weiterer Eintrag in der oben erwähnten Billeter Chronik legt nahe, dass Thomas Brandenberg dem Alkohol sehr zugetan war. Denn in Bezug auf die Malereien in der Oberägerer Pfarrkirche notiert Billeter zu Brandenberg: «...were noch vill schöner worden, wan der vertrunkene man nit lieber das glas als den bensell in den henden gehabt...»


Bis weit in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein waren nur drei Gemälde als gesicherte Werke Thomas Brandenbergs bekannt. Ziemlich wenig, um den Zuger Maler kunsthistorisch einzuordnen. Nach der Wiederentdeckung des Oberägerer Apostelzyklus sowie zwei weiteren Werken Brandenbergs – ein Leinwandbild in Engelberg und eine Bildstocktafel in Zug – lässt sich der Barockmaler etwas besser fassen.


Die Qualität seiner Gemälde mäandriert zwischen mittelmässig, meisterlich und fast schon wieder laienhaft. Ob es jeweils von seinem Promillepegel abhängig war? Unser «kritischer» Blick soll nun auf den hier vorgestellten Apostelzyklus in Oberägeri fallen, welchen der in Zug geborene Kunsthistoriker Georg Carlen (*1946) in einem Beitrag für das Zuger Neujahrsblatt 1979 eingehend beleuchtet.


Die insgesamt 16 Tafeln zeigen in der Mitte Jesus Christus und Maria. Links und rechts davon schliessen die 12 Apostel an, wobei Judas durch Matthias ersetzt ist. Zudem gesellen sich Paulus und Johannes der Täufer dazu. In seiner Betrachtung zitiert Georg Carlen auch die erheiternde Chroniknotiz, wonach Brandenberg das Glas genauso gerne zum Mund führte wie den Pinsel auf den Malgrund. Man möchte glauben, dass Brandenberg einen gewissen «Brand» hatte, als er Jesus und Maria malte. Denn diese sind angesichts der Apostelbilder von signifikant schwächerer Qualität.


Und obschon Carlen anmerkt, dass Brandenberg wohl auch im Falle der Apostel zu Besserem fähig gewesen wäre, attestiert er den Bildnissen Ausdrucksstärke. Das dürfte sich selbst einem weniger kunstaffinen Auge erschliessen. Die Halbfiguren sind entweder sinnierend ins Studium vertieft oder schauen den Betrachter aus dem Bild heraus direkt an.


Der Apostelzyklus von Thomas Brandenberg in der Pfarrkirche Oberägeri

Allen Aposteln ist gemein, dass sie expressive Charaktertypen sind. Sie haben kantige, bis auf eine Ausnahme vollbärtige Gesichter. Carlen merkt an, der Gedanke sei nicht abwegig, dass Brandenberg seine Modelle für diese rustikalen Gesichter an den Stammtischen der örtlichen Wirtshäuser gefunden haben könnte. Auch eine gewisse Dynamik, evoziert durch die unterschiedlichen Haltungen und Blickrichtungen der Männer, stellt der Sachverständige im Gemäldezyklus fest. Ebenso würdigt er die vielfach gelungene Lichtführung sowie die alternierende kräftige Farbgebung der Gewänder.


Alles in allem kann der Brandenberg'sche Apostelzyklus in der Oberägerer Pfarrkirche als Kulturschatz oberer Güte angesehen werden, zumal es ein wichtiges Werk im Schaffen des bis heute noch spärlich erfassten Zuger Barockmalers ist. Überdies ist es eines der wenigen erhaltenen Relikte aus der alten Pfarrkirche.


2014 tauchte auf dem Schweizer Kunstmarkt ein weiteres grosses Ölgemälde von 1664 auf, welches Thomas Brandenberg zugeschrieben werden kann. Es zeigt die Fischpredigt des heiligen Franziskus, wo im Hintergrund die Stadt Zug zu sehen ist. In der oberen rechten Ecke prangt das Brandenberg-Wappen.

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