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Im Augenblick des Todes

Aktualisiert: 4. Apr.

(Artikel aus der "Zuger Zeitung" vom 22. Juli 2023 von Andreas Faessler)


Der sterbende Josef, Gemälde am Seitenaltar in der Pfarrkirche Walchwil.
Der sterbende Josef in der Pfarrkirche Walchwil.

Die Walchwiler Pfarrkirche St. Johannes der Täufer zählt zu den schönsten Beispielen klassizistischer Kirchenarchitektur in der Region. Die heutige, zwischen 1836 und 1838 erbaute Kirche ersetzte einen für die gewachsene Bevölkerung zu klein gewordenen barocken Vorgängerbau. Die feinen Stuckarbeiten wie auch die Altarretabel stammen vom Stuckateur und Altarbauer Josef Moosbrugger (1811–1879), der seine Werkstatt in Arth und später vor Ort in Walchwil hatte. Moosbrugger entstammte der gleichnamigen, ausserordentlich schaffensreichen Stuckateurdynastie aus dem Bregenzerwald. Die Gemälde für die imposante Walchwiler Altargruppe des Meisterstuckateurs sind unterschiedlichen Alters: Das Hochaltarblatt mit der Kreuzigungsgruppe ist zur Bauzeit der heutigen Kirche entstanden. Das Gemälde am linken Seitenaltar mit der Rosenkranzkönigin, Dominikus und Katharina ist 1877 gemalt worden. Das Hauptblatt des rechten Seitenaltares, um welches es hier gehen wird, ist von der frühbarocken Vorgängerkirche übernommen worden und somit mit Abstand das älteste.


Die Darstellung zeigt den heiligen Joseph auf dem Sterbebett. Sie ist von einem anonymen Maler ungefähr in der Mitte des 17. Jahrhunderts geschaffen worden. Auffallend an diesem Gemälde ist die symmetrische Anordnung des Inhaltes: Der Blick fällt frontal auf das Sterbebett von Jesu Ziehvater, welches auf der Bildmittelachse steht. Darüber halten zwei Putti beidseitig gleichmässig den Vorhang auf, hinter dem die Heiliggeist-Taube im Strahlenkranz erscheint. Somit unterscheidet sich das Gemälde in Walchwil in seiner Komposition von einer Darstellung selben Inhaltes in der Pfarrkirche von Neuheim ZG, welche dem Tod Mariens gegenübergestellt ist.


Der geschnitzte Kopfteil des Bettes in der Walchwiler Darstellung zeigt – ebenfalls symmetrisch – einen Engelskopf mit Flügeln. Unter dem Bett in einem Korb verstaut sind die Attribute des Sterbenden: Zimmermannsgerät und eine Lilie als Sinnbild für Reinheit und Unschuld. Zu Josephs Rechten steht Jesus, der sich mit segnender Hand dem Sterbenden zuwendet und ihn am Kopf berührt. Maria zu Josephs Linken mit einem offenen Buch hält seine Hand. Josephs Blick – ganz im Moment des Todes – ist zum Himmel gerichtet.


Der Zuger Kunsthistoriker Josef Grünenfelder zieht als motivisches Vergleichsstück für den Walchwiler «Josephstod» das bekannte Gemälde «Die Beweinung Christi» von Andrea Mantegna (1431–1506) heran. Das um zirka 1480 entstandene Gemälde zeigt den Toten ebenfalls in Frontalansicht auf der Bildmittelachse liegend – mit einer perspektivischen Verkürzung des Körpers in der Senkrechten. Dies kommt beim Walchwiler Josephstod insofern weniger zur Geltung, als der untere Körperteil des Sterbenden bedeckt ist.


Eine interessante Anmerkung findet sich beim Zuger Chronisten Franz Karl Stadlin (1777–1829) in seiner «Topographie des Kantons Zug» um 1819, wonach ein «Sterbender Nährvater» einst das Altargemälde der 1693 geweihten Antoniuskapelle im Walchwiler Oberdorf gewesen sein soll. Es liegt zwar nahe, dass die Rede von «unserem» Gemälde ist, was jedoch dagegen spricht, ist die Tatsache, dass dieses einst rundbogig gerahmt war, wie die Spuren auf der Leinwand noch heute aufzeigen. Der barocke Altar in der Antoniuskapelle jedoch hat eine hochrechteckige Aussparung für das Blatt. Dennoch ist es aufgrund dieses Details beim Chronisten nicht ganz auszuschliessen, dass der «Josephstod» einst vielleicht tatsächlich eine Zeit lang für die Antoniuskapelle bestimmt war, ehe er in die Pfarrkirche übertragen worden ist.


Das sehr stimmige Seitenaltar-Gemälde ist die eingehende Betrachtung vor Ort wert, strahlt es doch eine heilige Ruhe in einem der intimsten Momente im Lebenslauf eines Menschen aus – und es hält die Hoffnung auf einen friedlichen Tod, wie man sich ihn wohl wünschen möchte, wenn es dann mal so weit ist, aufrecht.

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