Das Inbild vollkommener Reue
- Andreas
- 10. Dez. 2021
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 14. Dez. 2023
(Artikel aus der "Zuger Zeitung" vom 23. März 2018 von Andreas Faessler)

In den Darstellungen von Christi Kreuzigung finden wir sie eher selten, die beiden Männer, welche auf Golgatha an der Seite von Jesus ebenfalls den Tod fanden. Alte religiöse Schriften wie die «Pilatusakten» des NikodemusÂevangeliums wollen wissen, dass sie Dismas und Gestas hiessen. In biblischen Texten hingegen werden ihre Namen nicht geÂnannt, sie werden als «SchäÂcher» respektive Verbrecher bezeichnet und finden nur kurze Erwähnung. Einzig der Evangelist Lukas notiert etwas ausÂführlicher. Er beschreibt, wie der Verbrecher zur Linken Jesu (Gestas) am Kreuze hängend diesen verspottet, während derjeÂnige zur Rechten Jesu (DisÂmas) seinen Lebenswan del bereut und sich zum Glauben an Christus, den Sohn Gottes, bekennt. Nach Lukas bittet Dismas Jesus, er möge an ihn denÂken, wenn er in sein Reich heimkehre. Jesus verspricht ihm, er werde «noch heute mit ihm im Paradies sein». Die orthodoxe Kirche gedenkt am 23. März des «guÂten Schächers» Dismas – er wird vor allem im Osten als Inbild vollumfänglicher Reue angeseÂhen.
Für die katholische Kirche gilt der 25. März als Gedenktag. Die kultische VerehÂrung von Dismas ist im Westen erst seit dem Mittelalter beÂkannt, im Osten setzte sie beÂreits viel früher ein. Biografisch ist über Dismas kaum HandfesÂtes verbürgt. Die kirchliche AufÂfassung geht vornehmlich dahin, dass er Heide war und ein entÂsprechend gottloses Leben ge führt hat. Raub, Mord und DiebÂstahl dürften zu seiner TagesÂordnung gehört haben. Eine ähnliche Laufbahn wird Gestas zugeschrieben. Eine arabische Schrift aus dem 6. Jahrhundert erwähnt Dismas als denjenigen, welcher der heiligen Familie auf ihrer Flucht nach Ägypten Obdach gewährt hat. Dismas und Gestas wurÂden in Jerusalem gefangen genommen und gemeinsam mit einem dritten VerbreÂcher, Barabbas, sowie mit Jesus in den Kerker geworÂfen. Das Urteil für Dismas und Gestas lautete auf den Kreuzestod – neben Jesus. Was folglich mit der Gesinnung Dismas’ wähÂrend der Kreuzigung geÂschah, ist für Gläubige von starker Symbolkraft. Als er Zeuge wurde, wie Jesus trotz unendlicher Qualen für seine Peiniger betete und ihnen vergab, erkannte er in ihm den Herrn, fand innerhalb eines Augenblickes und kurz vor seinem Tod zum Glauben und zu vollkommener Reue (uns geschieht recht, wir empfangen, was unsere Taten verdienen, Lk 23,41). Dismas wurde noch am Kreuz vom Verbrecher zum BeÂkehrten, zum Heiligen. Obschon es seitens Kirche nie eine offizielle Kanonisierung gab, wird der «gute Schächer» wie ein Heiliger verehrt und entspreÂchend bezeichnet. Ikonografisch fallen Dismas jedoch weder AttriÂbute noch sonstige ErkennungsÂzeichen zu. Seine Abbildung beÂschränkt sich denn auch weitestÂgehend auf die Kreuzigungsszene, in der Ostkirche wird er gelegentÂlich an der Seite Jesu dargestellt bei dessen Abstieg in die UnterÂwelt. Vereinzelt ist auf AufersteÂhungsikonen zu erkennen, wie ein Engel Dismas’ Seele in den Himmel geleitet.
Ans Kreuz gefesselt In der Kreuzigungsszene ist DisÂmas’ Haupt grundsätzlich Jesus zugewandt, während der reulose Schächer Gestas seinen Blick vom Heiland abwendet. Oft er scheint Dismas zudem in hellem Licht, Gestas hingegen liegt im Dunkel. Den beiden VerbreÂchern ist auf Darstellungen gemeinsam, dass sie nur oder zusätzlich mittels Fesseln am Kreuz befestigt sind – gelegentÂlich weisen die Kreuze der SchäÂcher eine T-Form auf. Dismas soll später nach Zypern gelangt sein, wo dem Heiligen bis heute eine besonÂdere Verehrung zuteil wird. In der westlichen Kirche findet Dismas nur selten namentliche Erwähnung. Sein Patrozinium ist so gut wie inexistent, man beÂgegnet ihm hauptsächlich in der darstellenden Kunst – in Form von bildlichen KreuzigungsgrupÂpen oder in plastischer Form auf Kalvarienbergen. Unser hier beschriebenes Gemälde ist das Deckenfresko in der Pfarrkirche St. Nikolaus in Lauerz, Kanton Schwyz. Es stammt vom Maler Josef Heimgartner (1868-1939) und entspricht genau der beschriebenen Situation. Heimgarter zeichnete verantwortlich für die künstlerische Ausstattung zahlreicher Kirchen und Kapellen. Auch wurde er oft als Sachverständiger für Restaurationen herangezogen.

